Was Benedikt einem Kapitän der Bundeswehr sagen kann

Benedikt von Nursia lebte im 5.Jahrhundert in Italien. Er ist der Gründer des Ordens der Benediktiner, der in den Jahrhunderten bis heute immer wieder sich selbst und damit die ganze Kirche reformiert hat. Zu allen Zeiten ist die "Regel", die er seinem Orden gegeben hat, als ein besonders kluges Werk für die Menschenführung erkannt worden. Nun ist die mir vorliegende Übersetzung in erster Linie für die Benediktiner gedacht und daher in deren Sprache gehalten. Aber ich meine, mit einiger Retusche könnte man sie auch für einen modernen militärischen Führer, beispielsweise für den Kapitän eines Schiffes lesbar machen. Ich benutze als Vorlage das Kapitel 2 der Regel, welches überschrieben ist mit "Wie der Abt sein soll" und schreibe:

"Wie ein Kapitän sein soll."

Ein Kapitän, der fähig sein will, sein Schiff zu kommandieren, muss immer bedenken, was sein Name (Kapitän, Hauptmann) besagt, und diesem durch Taten entsprechen. Denn der Glaube seiner Soldaten sieht in ihm den Stellvertreter der höchsten militärischen Führung, unter Umständen und in der Not sogar Gottes.

Deshalb darf der Kapitän nur streng im Sinne der gültigen Richtlinien ausbilden, und er darf nichts gegen die Gebote Gottes und der Menschlichkeit befehlen. Vielmehr soll sein Befehl und seine Ausbildung wie eine natürliche Begabung in die Köpfe und Herzen der Soldaten eindringen. Immer soll der Kapitän daran denken, dass im Ernstfall zweierlei sichtbar wird: der Wert seiner Ausbildung und die Disziplin seiner Soldaten.

Der Kapitän sollte wissen, dass es ihm angelastet wird, wenn seine Soldaten versagen, weil er sie nicht genügend vorbereitet hat.

Wenn also einer Kapitän geworden ist, muss er seiner Mannschaft in doppelter Weise Lehrer sein. das heißt: er muss ihnen alles Richtige und Anständige mehr durch sein Verhalten als durch weise Worte zeigen. Alles aber, wovor er seine Soldaten warnen muss, sollte er auch in seinem Beispiel als falsch erkennen lassen, damit er nicht selbst in Verruf gerät, nachdem er sie das Richtige gelehrt hat.

An Bord darf er keinen Unterschied der Person machen. Darf nicht einen dem andern vorziehen, es sei denn er wäre wirklich der Bessere in der Praxis und im Charakter. Herkunft, Schulbildung und Dienstgrad dürfen kein Grund für eine Vorzugsbehandlung sein. Der Kapitän muss sich besonders vor Schmeichlern hüten, damit keine Unruhe unter der Besatzung entsteht. Alle tragen ja die gleiche Last und alle leiden im der Not unter den Fehlern der Schlechten. Nur solche Untergebene darf der Kapitän auszeichnen, die in ihren Leistungen und Verhalten besser als andere sind.

Als Ausbilder verbinde der Kapitän je nach Zeit und Umständen Strenge mit Großzügigkeit, zeige er die ernste Haltung des Meisters, die gütige des Vaters. Das heißt: die Rabauken und Faulen muss er hart zurechtweisen, die Aufmerksamen und gewissenhaften aber zu weiteren Fortschritten ermuntern; Wir mahnen dringend, dass er die Nachlässigen und Faulen tadelt und sogar straft, denn sie können im Notfall für alle den Tod bedeuten.

Der Kapitän bedenke immer, was er ist, bedenke, was sein Name besagt, und wisse: wem mehr anvertraut ist, von dem wird mehr gefordert. Er muss sich darüber klar sein, wie schwer und mühevoll die Aufgabe ist, die er übernimmt: Soldaten zu leiten und der Tüchtigkeit aller zu dienen. Auf den einen kann er mit sanfter Güte einwirken, der andere braucht Strenge, dem dritten hilft Zureden. Je nach der Veranlagung und Fassungskraft eines jeden muss er sich allen so anpassen, dass er durch die ihm Anvertrauten nicht nur keine Nachteile erfährt, sondern sich mit ihnen an Erfolgen freuen kann.

Vor allem darf er die Sicherheit der ihm untergebenen Menschen nicht übersehen oder gar geringschätzen, um sich stattdessen um glänzende Auftritte oder eitle Erfolge zu kümmern. Vielmehr denke er daran, dass er die Leitung von Menschen übernommen hat, für die er jederzeit, vor allem aber nach einer schwierigen oder gefährlichen Situation, Rechenschaft ablegen muss. Eine seiner Meinung nach ungenügende Ausstattung darf ihm nicht als Vorwand für eine nachlässige Ausbildung dienen.

Der Kapitän muss wissen: wer das Kommando über Menschen übernimmt, muss sich bereithalten, Rechenschaft über sie abzulegen. Mag auch die Zahl der Soldaten unter seiner Führung groß sein, so sei er sich doch immer darüber im Klaren, dass er im Notfall für jeden von ihnen verantwortlich gemacht wird. Und auch sein eigenes Verhalten wird einer Prüfung unterzogen und sei es durch das eigene Gewissen. So lebt er immer im Bewusstsein der Stunde der Wahrheit, in der Gott das Urteil über seine Führung aussprechen wird. Darum muss er immer besorgt sein um seine eigene Verantwortung, wenn er Untergebene zur Verantwortung zieht.


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