Wasser aus dem Felsen

Oskar Herwartz Meckenheim, den 8.12.87.

Im Traum sah ich einen großen Stein, einen riesig großen Stein, einen richtigen Felsbrocken auf einem holperigen, leicht abwärts führenden Weg. Er lag ganz still, weil er irgendwie am weiterrollen gehindert war.

Aber ich wusste, dieser Stein würde nicht eher Ruhe geben, sondern sich immer weiter bewegen wollen, bis er im Mittelpunkt der Erde, die Sehnsucht aller Steine, angekommen sei.

Im Traum wusste ich auch, dass der Stein und sein Bestreben zum endgültigen Ruhepunkt zu kommen, ein Gleichnis sei. Ein Gleichnis für das "Reich Gottes", das zwar schon da ist, aber immer noch unterwegs zu seiner Vollendung, gezogen von seiner Sehnsucht und seinem Glauben, wie der Stein von seiner Schwerkraft, und wie er zugleich gehemmt durch die Widerstände und Reibung des Weges und......

Ich sah nämlich auch noch viele Menschen bei dem Stein. Nicht wenige von ihnen stemmten sich mit äußerster Kraft gegen ihn, um ihn am Weiterrollen zu hindern. Winzig waren sie wie Ameisen, verglichen mit dem großen Fels. Dennoch nicht ohne Erfolg.

Andere Menschen versuchten den Stein mit all ihrer Ameisenkraft weiter zu rollen.

Und am Wegrand standen auch noch viele Menschen; denn aus dem Felsen sprudelte eine Quelle und die Leute fingen das Wasser auf, in Tassen die einen, andere in Eimern. Immer waren sie glücklich, wenn ihre Gefäße voll wurden. Am Wegrand oberhalb des Steines sah ich Menschen hinter dem Stein herlaufen, ebenfalls mit Gefäßen aller Art, um sich an die Quelle zu drängen, voller Angst, den Glückstrunk in Zukunft entbehren zu müssen.

Unterhalb standen viele, viele Menschen, die Hände in bittender Gebärde erhoben. Sie ahnten die Möglichkeit eines Glückes, schienen aber warten zu müssen, bis der Stein auch zu ihnen rollen würde. Bettlern ähnlich, die auf jemand warten, der vielleicht vorbeikommt.


Hier den Text als pdf herunterladen