Die Ehebrecherin (Johannes 7,53 - 8,11)

Johannes hat uns als einziger Evangelist die Geschichte von der Ehebrecherin hinterlassen. Es handelt sich aber wohl um ein historisches Ereignis.

Beim Nachdenken über unser Evangelium wurde mir nach und nach immer deutlicher, dass das aufregende Ereignis selbst nicht der alleinige Grund für Johannes war, es für seine Gemeinde aufzuschreiben.

Jesus und Johannes wussten aber, dass seine Bedeutung für uns aufgeschlossen werden kann, und dass der Schlüssel im Alten Testament zu finden ist.

Das Volk Israel hat sich schon Hunderte von Jahren als die geliebte Braut Jahwes gefühlt. An vielen Stellen der alten Schriften lässt sich das ablesen. Nicht zuletzt aus den Vorwürfen, die der Prophet Hosea dem Volke macht, weil es als Braut Jahwes seinen Gott mit Abgöttern betrogen hatte. "Ehebruch" nannte er diese Sünde.

Wenn wir nun unser Evangelium vor dem Hintergrund des AT lesen, dann wird aus der Ehebrecherin das Volk Israel, oder die Kirche als das Volk Gottes, oder unsere Gemeinde, oder sogar jeder von uns.

Im unserem Evangelium wird der Ehebruch auf die Spitze getrieben, denn die Frau im Evangelium hat die Treue zwischen Verlobung und Hochzeit gebrochen. Nur für diesen Fall galt als Strafe die Steinigung.

Johannes, so scheint mir, will uns nun sagen:

So niederträchtig wie diese Frau handelt die Kirche, wenn sie statt auf Gott kleingläubig auf Macht, auf Gesetz und auf Gehorsam setzt.

So niederträchtig handelt eine Gemeinde, wenn sie "Dein Reich komme! Dein Wille geschehe!" ohne jedes Engagement nur mit den Lippen betet.

So niederträchtig handelt ein Christ, der keinerlei Anstrengung macht, sein Christsein als Dienst an allen zu leben. Und die Ankläger?


Der überraschende Satz Jesu "Wer von Euch ohne Sünde ist, werfe den ersten Stein!" trifft sie ins Herz. Als fromme Juden erkennen sie, dass sie sich Gott gegenüber schon ebenso treulos verhalten haben wie die Frau ihrem Verlobten gegenüber. Ihr schweigendes Verschwinden ist die logische Konsequenz aus dieser Erkenntnis.

Die Frau, das Volk Israel, die Kirche, die Gemeinde, jeder von uns steht jetzt allein vor Jesus.

Dessen Name aber, das muss man jetzt wissen, bedeutet: "Der Herr ist Rettung" Mit seinem Wort "Geh' hin und sündige nicht mehr!" verzichtet er nicht nur auf eine Verurteilung, sondern er bahnt der Frau und mit ihr auch uns einen Weg in die Zukunft, in die Befreiung von unserer Sünde.


Welch eine Gute Botschaft!


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